Was könnte es für einen Studenten des Verkehrswesens schöneres geben, als an einem sonnigen Tag am kühlen Kanal Binnenschifffahrtstechnik zu besichtigen? So fuhren wir am 15. Juni 2007 in nördlicher Richtung zum Oder- Havel- Kanal und erreichten nach dreieinhalbstündiger Zugfahrt Eberswalde.
Unser erstes Ziel war der neue Binnenhafen der Stadt. In gelassener Art und Weise zeigte uns der Hafenmeister sein Kleinod auf einem ehemaligen Testgelände der Roten Armee. Ins Auge viel da zuerst das Bioholzkraftwerk, welches mit Bruchholz aus der Region weit mehr als nur den Hafen mit Energie versorgt. Weiter ging’s zu den Gleisen, wo der Schotter aus Selbstentladewagen über eine umgebaute Feuerwehr mit Bandförderanlage auf LKW umgeladen wurde, welche den Transport auf dem Hafen übernahmen. An anderer Stelle wurden per Kran ein Zug voll Schotter entleert. Hilfe bekam er von einem Minibagger, welcher in den Waggongs die restliche Ladung zusammen schob. Dabei meldeten sich mehrmals Angestellte beim Hafenmeister, die sich erkundigten, wie sie mit den wieder einmal verspäteten Zügen der Bahn umgehen sollten. Bisher stand nur ein halber Zug da und in wenigen Stunden drohten zwei Ganzzüge alle Hafengleise in Beschlag zu nehmen.
Der letzte Teil des Hafengeländes wurde von der Kraftfuttergesellschaft genutzt. Neben riesigen Silos standen Lagerhallen und verschiedene Futter- und Düngermischanlagen. Von dort aus sahen wir, wie über ein langes System von Förderbändern und Röhren nahezu staubfrei ein Schubverband in kurzer Zeit mit Getreide beladen wurde. Zugegeben, Raps staubt sowieso wenig. Auffallend war, dass alle Schiffe im Hafen und auf dem Kanal unter polnischer Flagge fuhren. Schließlich erfuhren wir noch, dass der Kanal gerade ausgebaggert und verbreitert wird. Zusammen mit weiteren Großbauprojekten soll so die Leistungsfähigkeit der Wasserstraße erhöht werden. Ein solches Bauprojekt gleich neben dem Hafen besuchten wir danach. Eine Kurve im Kanalverlauf und ein an einer sandigen Baustelle endender Kanalstich ließen erahnen, welche Veränderungen hier in der letzten Zeit vorgenommen wurden. Der Kanal, der in diesem Bereich von zwei hohen Dämmen begrenzt wird und einige Meter über der sonstigen Landschaft liegt, wird an diesem Punkt von einer Bahnstrecke unterquert. Kaum, dass wir die neue Kanalbrücke gesehen hatten, kam schon der erste Güterzug durchgerollt. Auch wenn das neue Bauwerk wohl nicht mehr so berühmt wird, wie die alte Brücke, beachtlich ist die Anlage schon.
Nach einem Spaziergang zurück in die Stadt und einer Mittagspause fuhren wir mit dem Schulbus über verschiedene Dörfer nach Niederfinow. Gigantisch ragte das Schiffshebewerk vor den Hügeln des Barnim 60 Meter in die Höhe. Noch mächtiger schien nur die Sonne, welche einigen von uns diesen Tag völlig unerwartet Sonnenbrand bescherte. Wenn man das erste mal sieht, wie sich der gigantische Trog und die Betongegengewichte an Seilen verbunden aufeinander zu bewegen, kann man eigentlich nur staunen. Kaum zu glauben, dass auf der Brachfläche direkt daneben innerhalb der nächsten fünf Jahre ein noch längeres Hebewerk entstehen soll. Wir sahen dann, wie ein Schubverband, wegen Tiefgang nur halb mit Kohle beladen, vor der Schleusung aufgrund seiner Länge getrennt werden musste und der Leichter dann per Seilwinden oben wieder aus dem Trog gezogen wurde.
Am Nachmittag ging es dann per Bus zurück in die Kreisstadt des Barnimer Landes, wo wir uns noch ein wenig das Zentrum ansahen, unser ersehntes Eis aßen und dann, selbstverständlich per Oberleitungsbus, zum Bahnhof fuhren und die Heimreise antraten.
Gerd Lippmann